Sterben und Werden, Hermann Staudinger im Lebzelterhaus

Gottfried Reichart

Wandlung und Wiederkehr

Vor genau einem Jahr trat er in der Steyrer Galerie Pohlhammer zum ersten Mal vor die Öffentlichkeit. Nach zwei kleineren Ausstellungen zieht er nun Zwischenbilanz: Bis 10. März sind im Vöcklabrucker Lebzelterhaus unter dem Titel: „Sterben und Werden“ Arbeiten des 1963 geborenen Schwanenstädter Künstlers Hermann Staudinger zu sehen, die seit 1988 entstanden.

Sterben und Werden: Jedes Ende ist ein neuer Anfang. So lassen sich die Bilder im ersten Raum als Gleichnis verstehen. Da ist das Haus, nach einer strengen Regel gebaut. Da ist der Zaun. Aber er verläßt, was ihn birgt und engt zugleich. Das Haus verändert die Lage, tauscht seine Farbe mit dem Grund, verändert die Gestalt. Love, Sex, Tenderness: Bilder aus Kunstpelz. Manchmal nur in dunklen Zeiten: Pailletten lassen das Wort von Heine in Blindenschrift auf schwarzem Samt glitzern. Ein Vogelnest mit Silberkugeln. Selbstbildnisse: Er schnellt in fünf Phasen aus der Hocke zum Sprung, stellt seinen Körper in dreißig Variationen dar. Menschen: Er versammelt Abzüge der 49 Farbfotos von Schwanenstädtern, die er im Sommer zeigte.

Schon in seiner Kindheit wurde durch einen Unfall seine rechte Hand verstümmelt. Die Hand ist darum ein dominantes Thema seiner Kunst. In 49 Blättern stellte er im Vorjahr seine beiden Hände vor. Die Originale sind in die 49 Kataloge eingebunden. Auch jetzt zeigt er seine Hände, in Stelen, Fotos und Gipsabgüssen.

Am stärksten aber sind für mich die Bilder der Reihe „Cloudheaded“. Mit unendlicher Geduld hat er auf Riesenformaten Tausende von Ringen aneinandergezeichnet, die eine von weißen Pünktchen übersäte Fläche erzeugen. Engere Führung des Bleistifts und festerer Druck verdichten hier und dort das Bild. So entstehen Wolkenbilder, die für einen Augenblick die Zeit anhalten.

Neues Volksblatt, 7. März 1995